Poesie-Musik-Kunst Projekt „Mein Tag als Haiku“ für vier Schulklassen (S7, 4a, 5b, 6b ) und das Schulorchester der Allegro Grundschule gemeinsam mit dem Haus für Poesie und dem Ensemble KNM Berlin, Dorothée Billard (Graphikerin) und Tobias Ribitzki (Regisseur) unter der Leitung von Lisa Werhahn, gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung in der FS1, dem Deutschen Literaturfonds, mit freundlicher Unterstützung von „Töne machen Leute“ e.V.
Alles begann mit Bildern aus der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder. Die Kinder sammelten fotografische Fundstücke aus ihrem Alltagsleben.
Ausgehend von dem Haiku „Teebeutel“ von Jan Wagner entstand die Idee, um Alltagsgegenstände herum eine Fantasiewelt in Wort, Bild und Klang zu erschaffen.
Die Kinder wurden durch die Dichterinnen Karla Reimert Montasser und Julia Dorsch vom „Haus für Poesie“ Berlin mit der japanischen Verskunst des Haikus vertraut gemacht und schrieben selbst Haikus und als Gruppe Haiku-Kränze, sogenannte Rengas. Die Kinder lernten so den Tag mit den Augen eines Haikudichters zu erforschen. An einem Vormittag kam der Dichter Jan Wagner für eine Lesung in die Allegro-Grundschule. Er las nicht nur eigene Haikus vor, sondern hatte auch Haikus aus dem alten Japan mitgebracht. Jan Wagner erzählte aus seinem Alltag als Dichter, die Kinder hatten die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Natürlich wollte der Dichter auch die Haikus der Kinder kennenlernen und so wurden zuerst zögerlich und dann immer mutiger und wie in einem Poetry Slam die Haikus aus den Poesieworkshops auf der Aula Bühne vorgetragen.
Gemeinsam mit der Graphikerin Dorothée Billard wurden mit den Kindern Grafiken zu den Haikus entwickelt, die später wiederum als Spielpartituren für Kompositionen dienten. Die jüngeren Kinder zeichneten mit großem Tuschpinsel und japanischer Tinte Figuren und Gegenstände aus den frisch gedichteten Haikus. Die SchülerInnen der 5. und 6. Klasse bekamen die Aufgabe, drei Farben aus ihrer Umgebung zu einer bestimmten Tageszeit wie in einer Momentaufnahme anhand von ihnen vertrauten Begriffen zu beschreiben. Z.B. Es ist 17.15 Uhr, der Himmel ist blau wie eine verwaschene Jeans, die Bäume haben die Farbe von Kaffe, die untergehende Sonne sieht aus wie eine Grapefruit. Unter der Anleitung Dorothée Billard wurden aus den Grundfarben die beschriebenen Farben gemischt, die als Farbschemen für die vier Tageszeiten dienten. Aus postkartengroßen Farbkarten entstanden im Scherenschnittverfahren graphische Räume. Aus den Illustrationen wurde zusammen mit den Scherenschnitten das Kartenspiel in der Art des traditionell japanischen KOIKOI Spiels entwickelt.
Nachdem etwa 90 Haikus im Poesie- Workshop und 800 Zeichnungen und Scherenschnitte im Graphik Workshop entstanden waren, gab es bereits eine Fülle an Material für die musikalische und szenische Arbeit.
Im Instrumentalunterricht wurden kleine Gruppen gebildet, die Kinder konnten sich aus der Haiku-Sammlung
ein Gedicht aussuchen. Es wurde beobachtet, dass die Kinder nicht nur eigene Gedichte vertonen wollten, sondern gerade Spaßdaran hatten,
die „Werke“der Freunde oder
Geschwister auszuwählen und musikalisch zu bearbeiten. Die Kinder durften sich zunächst frei mit den
Gedichten auseinandersetzen. Sie wurden in kleinen Ensembles in Räume verteilt und haben selbständig
Geräusche erfunden und Ideen entwickelt: Wie klingen bestimmte Sachen? Beispielsweise klingelt zuerst ein Wecker, danach
hört
man das Uhrenticken, jemand öffnet das Fenster und draußen zwitschern die
Vögel.
Auf der Basis
dieser Ideen wurden die Stücke verfeinert, wobei Elemente der zeitgenössischen Musik
eingeflossen sind. Über das kreative und experimentelle Musizieren ließsich aus verschiedenen
Gründen eine höhere
künstlerische Intensität erreichen als es
sonst im Schulrahmen möglich gewesen wäre:
zunächst war dort die Freude der Kinder am Geräusche-Entdecken, mit
dem Instrument so zu spielen, wie es normalerweise „nicht erlaubt“ist. Die entwickelten
Töne
und Geräusche waren sehr authentisch, die Kinder beherrschten sie vollends und identifizierten sich mit ihrer Musik.
Das übertrug sich auch im Moment der Aufführung.
Die kleinen
Kompositionen haben sich während der szenischen Arbeit stark entwickelt, da die Kinder beim Vorspielen ihrer Musikstücke auch selber gemerkt
haben, was gut funktioniert und stark wirkt bzw. was nicht trägt oder nicht ausdrucksstark genug ist. Die SchülerInnen haben zudem
gelernt, wie sie die Stücke eigenständig spielen
können, das bedeutet, sie haben organisiert, wer welche Zeichen gibt, wer leitet und wer das Signal gibt,
aufzuhören. Partituren wurde geschrieben, ein Teil davon wird hier abgebildet:
Morgenhaiku
ca 1‘10‘‘
Anna gibt das Zeichen für die Uhr:
Streicher mit Bogen springen auf beiden Seiten vom Steg. (Cello nur alle 2 Schläge)
ca
15-20‘‘
Alisa spielt den Wecker auf der Flöte (Uhr läuft weiter)
Ff Trille ca
3‘‘
Selina gibt das Zeichen fürs Fenster öffnen: (Selina + 1 Mädchen)
Knartschen auf den Geigen
Uhr wird leise ins nichts
Wind
geleitet von Alisa:
Flöte bläst über die Flöte. Streicher blasen in die Instrumente
Vogelgeräusche (jeder darf
anfangen)
Die Gruppe besteht aus Paaren (und einem Trio). Diese Gruppen fangen an
Vogelgezwitscher-Konversationen zu haben in „ppp“
Anna zeigt das Ende
Der Regisseur Tobias Ribitzki entwickelte mit den Kindern aus den Haikus, Graphiken und musikalischen Miniaturen einen szenischen Ablauf für die Aufführung in der Pumpe e.V.
Schnell war klar: Bei der Theateraufführung sollten die Haikus wiederum in der Form eines Haikus, also in drei unterschiedlich lange Teile gegliedert, präsentiert werden. Jeder „Zeile“wurde eine Tageszeit zugeordnet, so konnte ein Tagesablauf von morgens bis abends mit den Haikus, den Musikstücken und den Graphiken gefüllt und musikalisch und szenisch dargestellt werden.
Profitiert hat das Team von der besonderen Ausgangssituation an der Allegro Grundschule. Es ist eine musikbetonte Grundschule, die Kinder lernen ab dem 3. Schuljahr ein Musikinstrument, die fortgeschrittenen Kinder spielen im Schulorchester.
Das Team legte bei der Probenarbeit großen Wert auf die Anteilnahme der Kinder an den Stücken der jeweils anderen, da sich die Grundspannung und Aufmerksamkeit, die die Kinder selber auf der Bühne haben, auch stark auf das Publikum überträgt. Miniaturen in kleinster Kammermusikbesetzung oder solistisch vorzutragen war eine neue Erfahrung für die Kinder, die es sonst gewohnt sind, im Ensemble aufzutreten. In den kleinen Gruppen konnten sich die Kinder nicht mehr „verstecken“, sondern mussten jeder einzeln volle Verantwortung für ihre Präsentation übernehmen. Daher war es ein wichtiger Teil der musikalischen Arbeit, neben den Tönen auch an der Bühnenpräsenz, dem Ausdruck und dem Auftritt zu feilen.
Insgesamt wurde über drei Wochen kompositorisch an den Haiku Miniaturen gearbeitet, dabei wurde auf Grundstimmung, Form, Dramaturgie, Farbenreichtum geachtet. Rebecca Lenton, Flötistin,über diese Zeit: „Es war wirklich wunderschön zu sehen, wie das Projekt zusammengekommen ist und welche Freude die Kinder bei der Aufführung hatten. Die SchülerInnen waren so kreativ: beim Dichten, Malen und Komponieren! […] [Es] war es toll zu erleben, wie schnell sie auf so viele Ideen gekommen sind, wie sie ihre Ideen umsetzten und wie sie letztendlich bei der Aufführung völlig selbstständig ihre Stücke gespielt haben. Zusammenarbeit, Ideenentwicklung, Führung, Miteinander, auf einander achten und reagieren und vieles mehr war alles dabei! Und natürlich viel Spaß!“